Alte Utting – vom Ausflugsdampfer zum In-Lokal
Das Ausflugsschiff Utting, Baujahr 1949, verkehrte bis zum Jahr 2016 auf dem bayerischen Ammersee. Wegen technischer Mängel musste es ausgemustert werden. Der neue Käufer, Veranstaltungsmanager Daniel Hahn, plante zunächst das Schiff im Münchner Westen auf einem Schrottplatz aufzustellen und als Veranstaltungsort zu nutzen. Zwei Wochen später kam dann die Anfrage an a.k.a. ingenieure, ob man das Schiff auch auf eine Brücke stellen könne.
Vorbedingungen
Die Brücke ist eine 1985 wieder errichtete Eisenbahnbrücke, die einen Gleisanschuss des Großmarktgeländes ermöglichte, inzwischen jedoch nicht mehr in Betrieb ist. Durch einen ersten positiven Lastvergleich Güterwagon – Schiff (mit Publikum) konnte das Projekt als nicht völlig unrealistisch weiterverfolgt werden.
Zum Schiff waren nur spärliche Unterlagen (Längsschnitt und Spanntenriss) vorhanden. Aus diesen konnte der ungefähre Verlauf des Rumpfes ermittelt werden. Das ermöglichte eine Einschätzung des Schiffsgewichts anhand der Wasserlinie. In dieser Phase (Februar 2017) lag das Schiff im teilweise gefrorenem Wasser, so musste mit ungenauen Angaben die weitere Planung durchgeführt werden.
Für die Brücke existierten genauere Planunterlagen. Die Brücke hat einen gebogenen Grundriss und besitzt eine Längs- und eine Querneigung. Es sind seitliche Trogwände vorhanden in denen die Spannglieder verlaufen.
Im CAD konnten die Spannten nachgezeichnet und im Schiffslängsschnitt eingetragen werden. Diese Rumpfgeometrie wurde dann auf den Brückengrundriss übertragen und anhand der Trogwände und der Spanntenrisse die Höhenlage des Schiffes auf der Brücke positioniert. Es war klar, dass im kurzen Zeitfenster vom Auswassern des Schiffs über Transport und Aufsetzen am nächsten Tag keine Möglichkeit bestand, einen exakten Geometrieabgleich durchzuführen. Es wurden daher drei Bockgestelle auf der Brücke aufgebaut und Keile in unterschiedlichen Geometrien für die seitliche Ausrichtung an den Trogwänden anhand der Planvorgaben vorbereitet.
Transport und Aufbau
Zuerst wurde der Schiffsrumpf mit zwei Autokränen auf die Bockgestelle gehoben und zu 50% auf diesen abgelastet. Über Baustützen wurde der Körper in Querrichtung waagerecht ausgerichtet und an den Trogwänden kippstabil ausgekeilt. Danach konnten die Kräne lastfrei gestellt werden. Obwohl der relativ starke Wind das Aufsetzen stark behinderte konnte der Aufsetzt- und Ausrichtvorgang in wenigen Stunden abgeschlossen werden. Dabei passten die realen Geometrien, Schiffskörper – Brückenkörper, mit den planerischen Geometrien erstaunlich gut zusammen. Die unterschiedlichen Keile waren für Planabweichungen und für die Feineinstellung außerordentlich hilfreich. Im zweiten Schritt wurde das Oberdeck aufgesetzt und mit dem Rumpf verschweißt.
Maßnahmen zur Inbetriebnahme als Veranstaltungsort
Vor der Inbetriebnahme als Veranstaltungsort musste die Schiffskonstruktion auf ihre Tragfähigkeit in sich und hinsichtlich der neuen Auflagersituation geprüft werden. Die komplexe Geometrie machte eine 3d_FEM Berechnung erforderlich. Hier wurden die Normal- und Regelspannten als Stäbe und der Schiffsrumpf als Flächen abgebildet. Die gebogene Form machte es erforderlich, ebene Dreiecksflächen zu definieren. Das Programm konnten anschließend diese Flächen in weitere ebene FE-Elemente zerlegen. Insgesamt mussten vorab 3000 Stäbe und 3000 Flächen generiert werden. Nach den ersten Rechenläufen wurde deutlich, dass die Konstruktion für die erforderlichen Belastungsszenarien eines Veranstaltungsbetriebs nicht ausreichte.
Durch Einbau diverser Stützen und Stahlrahmen konnte die Konstruktion auf das notwendige Tragfähigkeitsniveau verstärkt werden.
Nachdem der Prüfingenieur seine Zustimmung erteilt und diverse andere behördliche Auflagen erfüllt waren, erfolgte am 10. Juli 2018 die Schiffstaufe. Am 20.Juli wurde der Gastronomie- und Veranstaltungsbetrieb aufgenommen.
Bauherr
Daniel Hahn
Standort
auf einer Eisenbahnbrücke in München Sendling
Fertigstellung
2018
Leistungen
Tragwerksplanung, statische Berechnung, Bauüberwachung
Foto
Franz Kimmel